WOHNHAUS G Krauchenwies im Portrait

So, wie sich ein Schneider einen Anzug auf den Leib schneidern kann, ist der Architekt in der glücklichen Lage, seine eigenen vier Wände nach Maß zu planen. Marcel und Steffi Gauggel haben sich in Krauchenwies im Landkreis Sigmaringen niedergelassen. Nach einem Jahr Bauzeit konnten der Architekt und die Intensivschwester mit ihren drei Kindern im März 2016 ins erste eigene Haus einziehen. 

 

Was seinen Beruf angeht, ist der 36-jährige vorbelastet: Seine Eltern Wolfgang und Angelika Gauggel haben in Krauchenwies vor fast vierzig Jahren ein Architektur- und Bauträgerbüro gegründet. Nachdem Marcel Gauggel zuletzt in München tätig war, stieg er 2009 in das Büro ein. Akquise, Planung und Bauleitung sind für ihn also täglich Brot. „Wie bei anderen Projekten auch, stand bei meiner Frau und mir die Frage an erster Stelle: Wie wollen wir wohnen? Gehören wir eher zu den introvertierten Wohntypen, die sich gerne nach Außen abschotten oder können wir uns extrovertiertes Wohnen vorstellen?“

 

Letzteres fällt natürlich um so leichter, wenn das Grundstück - wie im vorliegenden Fall - nur bedingt einsehbar ist und der Nachbar einem nicht schon zum Frühstück in die Kaffeetasse schauen kann. Es war der Familie ein Anliegen, zur Straße hin geschlossen und nach Süden in Richtung Tal „grenzenlos“ zu wohnen. „Wir haben uns eine ruhige Atmosphäre als Kontrapunkt zur Reizüberflutung im Alltag gewünscht.“ 

 

Der moderne, kubische Flachdachbau, trägt dem Grundstück Rechnung. Der Bauplatz im Neubaugebiet oberhalb des Ortes war aufgrund seines konischen Zuschnitts schwer beplanbar. Doch die Lage direkt an der steil abfallenden Hangkante hat ihre Vorteile. Die Aussicht über den Kirchturm hinweg ist unverbaubar und der Blick kann ungehindert in die Ferne schweifen. Das vertikale Erscheinungsbild des Hauses löst sich in mehrere horizontale Winkel auf, deren Staffelung dem Gebäude eine dreidimensionale Tiefe verleiht.

Durch die Schachtelung der einzelnen Baukörper entstand Innen und Außen eine Vielzahl schöner Orte, so etwa die Dachterrasse vor dem Elternschlafzimmer. Durch die Überkragung des Obergeschosses um 1,5 Meter verfügt das Haus über einen konstruktiven Sonnenschutz. Bei steil stehender Sommersonne sorgt der Überstand für eine natürliche Verschattung im Wohn-Essbereich, wohingegen die flach stehende Wintersonne die Räume mit Licht fluten kann.

Das weiß verputzte Haus ist in Massivbauweise mit einer Wandstärke von 36,5 cm errichtet, die Fassade ist teilweise mit schwarzen Aluminiumverbundplatten und thermisch behandelter Esche verschalt. Das auf eine Unterkonstruktion geschraubte Sandwichmaterial aus zwei Aluminium-Deckschichten und einem Kunststoffkern lässt sich gut biegen und kann auch um Ecken und Kanten herumgeführt werden. 

 

Die in Alucubond ausgeführte Garage verschmilzt plan mit der Fassade, so dass man sie kaum als Garage wahrnimmt. Das Flachdach des Gebäudes ist bekiest. „Sobald die Speichertechnik für Solarstrom ausgereifter ist, wollen wir auf dem Dach eine PV-Anlage installieren, um vom öffentlichen Stromnetz autark zu sein“, erklärt der Hausherr. Die aufgeständerten Module werden die harmonische Optik nicht beeinträchtigen, denn die Attika ist entsprechend hoch. Vorbehalte gegen Flachdächer kennt Gauggel zur Genüge. „Der schlechte Ruf rührt aus einer Zeit, in der Flachdächer tatsächlich noch sehr schadensanfällig waren. Wenn Flachdächer nach heutigem Stand der Technik geplant und technisch korrekt ausgeführt werden, sind sie genauso langlebig wie geneigte Dächer.“ 

Als Planer stehe er sämtlichen Dachformen und architektonischen Stilrichtungen neutral gegenüber, sagt Gauggel. „Das Erscheinungsbild eines Hauses muss zum Bauherren, nicht zum Architekten passen.“ Doch je kompakter ein Baukörper, desto geringer sind Volumen und Außenwandflächen, was aus energetischer Sicht vorteilhafter ist. „Da die Flachdachbauweise im Vergleich zu geneigten Dächern weniger Volumen produziert, ist der Trend zum Flachdach meiner Meinung nach nicht nur eine Modeerscheinung, sondern auch ökologisch und ökonomisch begründet.“

 

Der Standort des Gebäudes war geradezu eine Aufforderung zum Einbau großer Fensterflächen. Das Wohnzimmer ist mit einem herrlich großen Panoramafenster ausgestattet. Es geht in den Koch- und Essbereich über, auch hier lässt sich durch die gläsernen Schiebetüren die Aussicht über das Tal genießen. Als strukturierender Raumteiler fungiert ein gemauerter Kamin mit Brennkammer aus Glas, so dass man von beiden Seiten aus das Feuer sehen kann. Bei Bedarf können die Räume voneinander beziehungsweise zum Flur hin mittels Schiebetüren abgetrennt werden. 

 

Es gibt insgesamt drei Geschosse. Im Obergeschoss befinden sich zwei Kinderzimmer, das Elternschlafzimmer mit Terrasse, Bad und Ankleide. Das Erdgeschoss beherbergt Garderobe, Hauswirtschaftsraum, Gäste-WC, Wohn-, Ess- und Kochbereich. Vom Flur aus gelangt man in die Garage.

 

Hauswirtschaftsraum und Garderobe sind äußerst praktisch, bieten sie doch immens viel Stauraum: Jacken, Matschhosen, Regenschirme, Stiefel, Staubsauger, Putzeimer und sonstige Haushaltsgeräte verschwinden aus dem Blickfeld. Schmutzwäsche kann in einen Schacht geworfen werden und landet bei der Waschmaschine im Untergeschoss. Dies verbirgt sich aufgrund der Hanglage zur Straße hin im Erdreich, in Richtung Garten ist es ein vollwertiges Wohngeschoss.

 

Bei der Verwirklichung des eigenen Vorhabens konnten sich die Bauherren auch das eine oder andere „Experiment“ erlauben. Zum Beispiel bei der großen, fugenlosen Bodenfläche im Flur, im Koch- und Essbereich. Es handelt sich um einen abgeschliffenen und versiegelten Estrich, was den Loft-Charakter unterstreicht. Die polierte, homogene Oberfläche weist einen seidenmatten Glanz auf, und dank Fußbodenheizung bekommt man keine kalten Füße. Bei allen übrigen Bodenbelägen entschied sich die Familie für helles Ahornparkett. Aus hellem Holz sind außerdem die Esszimmermöbel, die Türblätter sowie Tür- und Fensterrahmen gefertigt. Außen bestehen die Fensterrahmen aus schwarz lackiertem Aluminium.

 

Die stylishe, schwarz-weiße Küche hat Gauggel selber geplant und von einer Firma aus Meßkirch bauen lassen. Der vorgelagerten Küchenblock mit Induktionsherd bietet mit seinen rund vier Metern Länge ausreichend Platz, um sich „auszutoben“. Auch die Esszimmermöbel sind eigenes Design.

Ein echtes Schmuckstück ist die Treppe in den ersten Stock. Die frei in den Raum ragenden Kragstufen scheinen regelrecht zu schweben. Unterstrichen wird der luftig-leichte Eindruck von den gespannten Drahtseilen als Alternative zu einem massiven Geländer. Die Treppe, die ins Untergeschoss führt, ist aus Sichtbeton bewusst anders ausgeführt. 

Im Innenraum sind Schwarz, Weiß und helles Holz die Leitfarben, doch hier und da setzen kräftige Wandanstriche Akzente. So strahlen beispielsweise das WC und das Gästebad in Signalviolett, die Garderobe und der Hauswirtschaftsraum sind froschgrün gestrichen. Zurückhaltend war die Familie beim Einbau von Technik. „Wir sind Low Tech“, schmunzelt Marcel Gauggel. „Ein Haus ist keine Maschine.“ Es gibt keine Bus-Technik, gelüftet und verdunkelt wird von Hand.

 

Klare Linien und eine sachliche Formensprache tragen zur gewünschten Atmosphäre der Ruhe bei, auch die Einrichtungsgegenstände und Accessoires sind mit Bedacht gewählt. Von Überfrachtung kann keine Rede sein. „Wenn ein Haus bewohnt wird, füllt es sich von allein mit Leben“, findet Marcel Gauggel. Dafür sorgt schon das Lachen der drei Kinder, der Jüngste ist gerade mal fünf Monate alt, die Töchter gehen in den Kindergarten. An den Wänden hat das Paar Fotografien auf Leinwand aufgehängt, die Stationen ihrer Weltreise dokumentieren. Im oberen Flur-Galerie-Bereich fällt ein Designer-Möbel ins Auge: der Lounge Chair „Shrimp“ von Cor mit markanter Formholzschale.

 

Der Außenbereich soll dieses Frühjahr angelegt werden. Vor dem Haus stehen schon rechteckige Pflanzgefäße aus Kortenstahl bereit. Der Farbton des Edelrosts passt gut zur Eschenholzverschalung. Vor dem Haus gibt es auch eine Veranda. „Hier sitzen wir oft, gerade, wenn die Kinder draußen auf der Straße mit dem Roller herumfahren und spielen.“

 

Bericht von Kirsten Johanson, Südkurier Hausblick, Ausgabe 11. März 2017  

 

 

 

 

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